Sonntag 1. Dez 2019
Aktivitäten:
Im Deckstuhl im eReader lesen. Eine Runde Schach, dieses
feministische Spiel, bei dem die Dame die meiste Macht hat und der
König nur dumm rumsteht. Eine Runde Schwimmen, im stark schwankendem
Pool. Eine Runde Shopping – bei 80% Nachlass kann frau ja nicht
widerstehen.
Montag 2. Dez 2019
Australische
Einreisekontrolle an Bord, obwohl das Land noch weit entfernt ist.
Außer einer Flasche Wasser darf man nichts, aber auch gar nichts
einführen. Ein australisches Ehepaar berichtet, dass jemand für
eine im Handgepäck vergessene Banane 150 A$ Strafe zahlen musste.
Regel: Wenn man angibt, man habe keine Lebensmittel o. ä.
dabei und erwischt wird, ist man dran. Wenn man angibt, man habe was
dabei, wird es geprüft und geht durch oder nicht. Ein „sorry,
wusste ich nicht!“ wird also geahndet.
Bild:
Die Halle in Schiffsmitte.
Ansonsten
ereignisfrei. Das Abendessen ist uns beiden nicht bekommen.
Dienstag 3. Dez 2019
Viele
Menschen hier bewegen die grundlegendsten philosophischen Fragen, wie
sie schon Immanuel Kant formulierte: „Woher kommen wir? Wohin gehen
wir? Wer ist der Mensch?“. „Wher' 'r you guys from?“
ist immer die erste Frage, gefolgt von „Wher' 'r you going?“,
denn viele steigen in Freemantle aus. Und dann wollen sie noch
wissen, was man so macht oder ob man überhaupt noch einen Beruf
ausübt (die wenigsten). Und Kinder hat.
Das
sportliche Ereignis – neben den Chairobics auf der
Tanzfläche – war das Tauziehen der Schiffsmannschaften, von den
Köchen bis zu den Maschinisten. Alle hatten klingende Namen (die
Keller waren die Waiting Buffalos) und wurden gefeiert. Sogar
die Kapitänin war da und hat natürlich die Mannschaft der Brücke
(Bridge Pullers) unterstützt.
Inzwischen
fühlen wir uns im wahrsten Sinn des Wortes verschaukelt und schlafen
wir die Babys in der Wiege bei jeder Gelegenheit ein. Abends: schöner
Sonnenuntergang.
Mittwoch 4. Dez 2019
Lt.
Bordzeitung fahren wir über den Gulden Drake Seamount,
eine Ebene unter dem Meeresspiegel, die mal über Wasser gelegen
haben soll und zahlreiche bisher unbekannte Fossilien enthalten soll.
Aha. Inzwischen ist es kälter geworden (Luft 20° See 19°, Wind 20
kn., Schiff 18 kn.) und wolkig.
Aufgrund
der Anregungsarmut sinkt das intellektuelle Niveau bedrohlich ab, wie
man sich auch an diesem Blog erkennt. Die Schiffsgänge im
Wohnbereich sind auch nicht sehr anregend. Die Gattin: „Wenn du
anfängst, Kreuzworträtsel zu lösen, dann hast du dich aufgegeben!“
Heute
droht uns wieder ein Gala-Abend mit Lobster Thermidor: der
Egyptian Ball. Da werden die Mumien auf ihre Kosten kommen! In
Fremantle (übermorgen) erfolgt
offensichtlich größeres Reshuffle,
das Schiff wird mit neuen Leuten bestückt. Deswegen heute große
Küchenmannschaftsparade. Viel Beifall, Trinkgeldumschläge werden
verteilt.
Donnerstag 5. Dez 2019
Das
letzte Mal die Uhr vorgestellt, nun bei Berlin + 7 h. Inzwischen
sehen wir auf der TV-Seekarte wieder Land, die Südostspitze von
Australien, Wedge Island genannt. Da liegt Fremantle bzw.
Perth, das angeblich 40°C haben soll. Wir sind bei 20°C ca. 400 sm
davon entfernt, fahren 90° (genau östlich) und fragen uns, wo die
Hitze herkommen soll.
Wegen
lokaler Zollbestimmungen darf man weder Tabak noch Alkohol im
Geschäft auf dem Schiff verkaufen. Also bilden sich heute lange
Schlangen vor dem Laden und die Leute schleppen kistenweise die
Flaschen aus dem Shop. Ich werde meine 6-Goldmedaillen-Flasche aus
Kapstadt retten müssen.
Freitag 6. Dez 2019
Fremantle.
Morgens schon 27°C. Bis hier sind wir 5542 sm = 10300 km gefahren.
Das Schiff leert sich und füllt sich wieder. Briten nehmen
dramatisch ab (auf 270), Aussies zu (auf 1528, 176 mehr Frauen als
Männer!). Das Städtchen selbst ist etwas verschlafen. Viele Häuser
im Kolonialstil (Bild), viele Andenkenläden. Ob ich mir eine Koala-Kappe
kaufe? Yeah!
Wir
fahren mit der Bahn 20 min. nach Perth,
an das wir uns so gerne erinnern. Captain James Stirling hat es 1827
am Swan River gegründet. Die Goldfunde 1890 in Kimberley und
Kalgoorlie ließen die Bevölkerung explodieren. Bei unserem ersten
Besuch war das innere Viertel (CBD = Central Business District)
voll städtischen Lebens, mit schnuckeligen kleinen Restaurants und
Cafés und Lädchen. Vor ca. 30 Jahren. Wir haben es nicht
wiedererkannt. In den „kleinen Cafés“ gibt es den Cappu aus
Pappbechern. Hochhäuser überragen die alten zweistöckigen Gebäude.
Die sind manchmal nur noch Fassaden. Im modernen Bell Tower hängt die älteste Glocke Australiens aus dem Jahr 1550
und die schwerste des Kontinents (6,5 to).CBD
ist, was der Name sagt: Business. Shopping Mall
neben Shopping Mall. Im
alten Postgebäude residiert H&M. Es
ist inzwischen 38°C warm, während in Lokalen, Shops und Bahnen 18°C
herrschen – willkommen, Erkältung!
Die Ampelphasen für Fußgänger
sind jetzt für Kängurus: die Sprinter-Version. Grün
reicht für ¼ der Strecke, dann blinkt es schon rot.
Die Globalisierung der Waren- und Produktionsströme zeigt sich ja nicht nur in den überall identischen Shopping-Angeboten, sondern auch in den weltweit verbreitetet Torheiten: Tattoos, Selfies, Rasenmäher-Frisuren, zerfetzten Jeans.
Im eiskalt gekühlten Zug fahren
wir verschwitzt zurück. Es sind auch neue Eintänzer an Bord, dem
Augenschein nach die Väter der alten. Um 22:30 legen wir ab, wie
immer mit einer beeindruckenden Drehung im zu engen Hafenbecken. An
der Pier grüßen Fremantler mit Taschenlampen.
Samstag 7. Dez 2019

Sonntag 8. Dez 2019
Maiden
Call (erster Besuch) der QE in Albany, WA, Australia. Es liegt an
einer Großen Bucht mit enger Einfahrt, dem größte natürlichen
Hafen der Welt. Am Weihnachtstag 1826 lieferte ein Schiff aus Sydney
Soldaten und Gefangene hier ab, um die Franzosen davon abzuhalten,
die Region zu kolonisieren. Ein kleines Städtchen mit einigen
historischen Gebäuden aus den 1880er Jahren.
Morgens
um 07:00 mächtiges Gerumpel: Das Schiff muss mit einer Menge
seitlichem Schub in eine Lücke am Pier gezwängt werden. Beim
Frühstück gibt es keinen Apfel mehr – ungeschältes Obst ist
verboten. Innerhalb der 12-Meilen-Zone müssen auch die Shops und das
Kasino geschlossen bleiben.
Gentechnisch
veränderte Fliegen nerven, denn sie fliegen immer ins Gesicht
(deswegen die australischen Lederhüte mit den baumelnden Korken an
den Krempen – für den Chronisten mit einem Kaufverbot belegt).
Montag 9. Dez 2019
Wieder
Maiden Call der QE, diesmal in Esperance, WA, Australia, 33°S
121°O, in der Nähe der „Forschungsinseln“ (Archipelago ofthe recherche, lt. TV-Seekarte). Das Betreten des Steges, an dem
wir liegen, (einfach nur ein Eisengerüst) ist verboten, deswegen
werden auf der Wasserseite die Tenderboote benutzt. Vorher
45-cm-Schrittlängentest.

Wir fragen mit einem aufschlussreichen
Versprecher nach der shocking mall des Ortes. Gibt's, ist aber
tot, bis auf einen Friseur, der Männer in Lachnummern verwandelt
(SeiKuOLa). Wir nennen es „Döner-Haarschnitt“, weil es aussieht,
als wären die Seiten mit dem Brenner abgeflammt.
Dienstag 10. Dez 2019
Wir
stellen auf Adelaide-Zeit um, + 1,5 h. Europas Zeit verschwindet, auf
RTL können wir jetzt das Nachtprogramm sehen. Doof: Man sitzt um
09:00 gerade kurz beim Frühstück und auf einmal ist es 10:30 und es
wird abgeräumt. Ähnlich wechselhaft sind auch die Temperaturen:
Melbourne heute 40°C, morgen 17°C.
Marodierende
Australierinnen wollen sich mehrmals an den Frühstückstisch eines
scheinbar einsamen Mannes setzen, der auf seine leicht verspätete
Gattin wartet. Da muss man Sätze sagen wie: „Ich würde mich
glücklich preisen, Ihre Gesellschaft genießen zu dürfen, aber
leider erwarte ich mein Weib!“ Überhaupt sind die Aussies sehr
kommunikationsfreudig und quatschen jeden an – für einen Hanseaten
stark gewöhnungsbedürftig.
Der
letzte Gala-Abend (Masquerade), dann verschwindet die Fliege
im Gepäck. Dazu kann man sich an Bord Masken kaufen (10$). Abends
steppt nicht der Bär, sondern der Senior-Aussie – der Rollator
wird in die Ecke geschoben, der Hörgeräte-Pegel herunter geregelt
(die Band macht unerträglichen Lärm, zumindest für den an
ländliche Stille gewöhnten Chronisten), die Maske wird aufgesetzt,
das Selfie gemacht und munter schwingt das Tanzbein – Takt hin oder
her. Danach sitzt man am einarmigen Banditen im Casino.
Mittwoch 11. Dez 2019
Wieder
1 Std. weniger. Das heißt immer, dass die Frühstückszeit gekürzt
wird. Im Queens Room gibt es einen Weihnachtsmarkt: Man hat die Shops
ausgeräumt und alles auf Klapptische verteilt. Die Angestellten
tragen rote Zipfelmützen. „Hau noiß!“, sagen die
Aussies. Sie sind ja sehr kommunikativ, und einige sprechen sogar
englisch.
Die
erschütterndste Nachricht in der Tagesrundschau: Ein Kunstwerk im
Wert von 120.000 $ des italienischen Künstlers Maurizio Cattelan
wurde auf einer Kunstmesse in den USA aufgegessen. Es war eine an die
Wand geklebte Banane. Der Täter war ein „Performance-Künstler“
und hatte Hunger.
Donnerstag 12. Dez 2019

Heute
aber erst einmal Adelaide
mit seinen rechtwinklig angeordneten Straßen entworfen und
nach der Ehefrau von König William IV. benannt in den 1830er Jahren
von dem britischen General Light. Hahndorf, das älteste (1839)
deutsche Dorf auf dem Kontinent, ist 15 Meilen entfernt. Dort gibt es
die größte Kuckucksuhr der Welt. Gut zu wissen.
Beim
Gang vom Schiff wartet schon ein Schnüffelhund auf uns (wegen der Einfuhr-Beschränkungen). Was sie wohl
von den Passagieren erwarten – Crack oder Klosterfrau
Melissengeist? Der Stadtplan von Adelheid täuscht, denn die Stadt
ist keineswegs so kleinteilig und erwanderbar wie wir dachten. Große
Blocks, breite Straßen, eine durchgehende Fußgängerzone (RundleMall), in der Straßenmusiker ungestraft 90 dB verbreiten dürfen.
Altes und Neues bunt gemischt.
Freitag 13. Dez 2019
Der
letzte Seetag! Jetzt sind wir bei UTC + 10 h (GMT + 11 h). Wir sind
jetzt auch langsam „seekrank“ und wollen vom Schiff. Packen ist
angesagt, die Koffer müssen um 23:00 bereit stehen und wir am
nächsten Morgen um 07:40 vom Schiff. Sie werden auf merkwürdige
Weise voller als sie es beim Auspacken waren. Das letzte gesunde
Frühstück (u. a. mit Rührei mit Black Pudding –
die Leser*innen mögen ergründen, was das ist).
Um
08:00 bei nur 13°C geht es bei leichter See bewölkt in Richtung
Melbourne (Vorhersage: 20°C). Trotzdem rollt das Schiff um ca. 3°
und mein „Seemannsgang“ bewährt sich. In UK werden in einer
halben Stunde die Wahllokale geschlossen. Die CONs mit Boris J. haben
haushoch gesiegt. Weihnachten steht vor der Tür und die Schiffsdeko
wird entsprechend angepasst.
Die
„Henkersmahlzeit“ besteht u. a. aus Surf & Turf Grilled
Beef Mignon with Cajun and Herb Butter Lobster, Pommes de terre
Lorette, Asparagus and Hollandaise Sauce. Ein letztes Glas Malbec
(16,10$). Da wir nahe des Ausganges sitzen, nehmen wir ein letztes
Mal die Parade der Rollatoren ab. Gerührter Abschied von unserem
Restaurant-Personal (Alvin fährt seit 10 Jahren auf der QE, 9 Mo.
Dienst, 3 Mo. Urlaub). Wir erhalten zum Abschied Kopien aller unserer
Menüs. Wale, der ewig freundlich grinsende Nigerianer, will uns ein
Bild seines dritten Babies schicken, wenn es im nächsten Jahr
erscheint.
Im
Impeachment-Verfahren in den USA (wird von BBC World News
täglich präsentiert) untermauern die Demokraten ihre Argumente mit
dem Satz „If it looks like a duck, quacks like a duck and walks
like a duck, it is a duck!“. Sie
behaupten, dass die Republikaner die Wahrheit nicht sehen wollen und
aus aus den Symptomen schließen „... it's an avocado!“
Auf dem Schiff komme ich zu einem anderen Schluss: „... it's an
australian lady!“.
Samstag 14. Dez 2019
Um
05:30 aufstehen, denn um 07:40 werden wir vom Schiff gescheucht. Melbourne:
kühl & bewölkt. (Gefühlt) Tausende verlassen die QE, aber alles wohlorganisiert –
ist ja schließlich Tourismus-Industrie. Aber sie haben uns
richtig reingelegt! Richtig voll!! Die Gattin schäumt!!! Alle die
Einfuhrverbot-Warnungen, Durchsagen, TV-Dauerschleifen,
Schreckensmeldungen, Schnüffelhundparaden in Adelaide … hier
wurden wir durchgewinkt und haben so kostbare Dinge wie französische
Dörrpflaumen oder reines Roggenmehl (für die Haarwäsche!) an Bord
gelassen bzw. weggeworfen. Wir hätten einen bakterienverseuchten
stinkenden Thunfisch an Land bringen können!
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