Dienstag, 17. Dezember 2019

Die zweite Etappe: Queen Elizabeth 2 - Teil 2 (Dezember)


Sonntag 1. Dez 2019

Aktivitäten: Im Deckstuhl im eReader lesen. Eine Runde Schach, dieses feministische Spiel, bei dem die Dame die meiste Macht hat und der König nur dumm rumsteht. Eine Runde Schwimmen, im stark schwankendem Pool. Eine Runde Shopping – bei 80% Nachlass kann frau ja nicht widerstehen. 




Montag 2. Dez 2019

Australische Einreisekontrolle an Bord, obwohl das Land noch weit entfernt ist. Außer einer Flasche Wasser darf man nichts, aber auch gar nichts einführen. Ein australisches Ehepaar berichtet, dass jemand für eine im Handgepäck vergessene Banane 150 A$ Strafe zahlen musste. Regel: Wenn man angibt, man habe keine Lebensmittel o. ä. dabei und erwischt wird, ist man dran. Wenn man angibt, man habe was dabei, wird es geprüft und geht durch oder nicht. Ein „sorry, wusste ich nicht!“ wird also geahndet.

Bild: Die Halle in Schiffsmitte. 
Ansonsten ereignisfrei. Das Abendessen ist uns beiden nicht bekommen.






Dienstag 3. Dez 2019

Viele Menschen hier bewegen die grundlegendsten philosophischen Fragen, wie sie schon Immanuel Kant formulierte: „Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Wer ist der Mensch?“. „Wher' 'r you guys from?“ ist immer die erste Frage, gefolgt von „Wher' 'r you going?“, denn viele steigen in Freemantle aus. Und dann wollen sie noch wissen, was man so macht oder ob man überhaupt noch einen Beruf ausübt (die wenigsten). Und Kinder hat.

Das sportliche Ereignis – neben den Chairobics auf der Tanzfläche – war das Tauziehen der Schiffsmannschaften, von den Köchen bis zu den Maschinisten. Alle hatten klingende Namen (die Keller waren die Waiting Buffalos) und wurden gefeiert. Sogar die Kapitänin war da und hat natürlich die Mannschaft der Brücke (Bridge Pullers) unterstützt. 
 

Inzwischen fühlen wir uns im wahrsten Sinn des Wortes verschaukelt und schlafen wir die Babys in der Wiege bei jeder Gelegenheit ein. Abends: schöner Sonnenuntergang.

Mittwoch 4. Dez 2019

Lt. Bordzeitung fahren wir über den Gulden Drake Seamount, eine Ebene unter dem Meeresspiegel, die mal über Wasser gelegen haben soll und zahlreiche bisher unbekannte Fossilien enthalten soll. Aha. Inzwischen ist es kälter geworden (Luft 20° See 19°, Wind 20 kn., Schiff 18 kn.) und wolkig. 
 
Aufgrund der Anregungsarmut sinkt das intellektuelle Niveau bedrohlich ab, wie man sich auch an diesem Blog erkennt. Die Schiffsgänge im Wohnbereich sind auch nicht sehr anregend. Die Gattin: „Wenn du anfängst, Kreuzworträtsel zu lösen, dann hast du dich aufgegeben!“

Heute droht uns wieder ein Gala-Abend mit Lobster Thermidor: der Egyptian Ball. Da werden die Mumien auf ihre Kosten kommen! In Fremantle (übermorgen) erfolgt offensichtlich größeres Reshuffle, das Schiff wird mit neuen Leuten bestückt. Deswegen heute große Küchenmannschaftsparade. Viel Beifall, Trinkgeldumschläge werden verteilt.


Donnerstag 5. Dez 2019

Das letzte Mal die Uhr vorgestellt, nun bei Berlin + 7 h. Inzwischen sehen wir auf der TV-Seekarte wieder Land, die Südostspitze von Australien, Wedge Island genannt. Da liegt Fremantle bzw. Perth, das angeblich 40°C haben soll. Wir sind bei 20°C ca. 400 sm davon entfernt, fahren 90° (genau östlich) und fragen uns, wo die Hitze herkommen soll.

Wegen lokaler Zollbestimmungen darf man weder Tabak noch Alkohol im Geschäft auf dem Schiff verkaufen. Also bilden sich heute lange Schlangen vor dem Laden und die Leute schleppen kistenweise die Flaschen aus dem Shop. Ich werde meine 6-Goldmedaillen-Flasche aus Kapstadt retten müssen.

Freitag 6. Dez 2019


Fremantle. Morgens schon 27°C. Bis hier sind wir 5542 sm = 10300 km gefahren. Das Schiff leert sich und füllt sich wieder. Briten nehmen dramatisch ab (auf 270), Aussies zu (auf 1528, 176 mehr Frauen als Männer!). Das Städtchen selbst ist etwas verschlafen. Viele Häuser im Kolonialstil (Bild), viele Andenkenläden. Ob ich mir eine Koala-Kappe kaufe? Yeah




Wir fahren mit der Bahn 20 min. nach Perth, an das wir uns so gerne erinnern. Captain James Stirling hat es 1827 am Swan River gegründet. Die Goldfunde 1890 in Kimberley und Kalgoorlie ließen die Bevölkerung explodieren. Bei unserem ersten Besuch war das innere Viertel (CBD = Central Business District) voll städtischen Lebens, mit schnuckeligen kleinen Restaurants und Cafés und Lädchen. Vor ca. 30 Jahren. Wir haben es nicht wiedererkannt. In den „kleinen Cafés“ gibt es den Cappu aus Pappbechern. Hochhäuser überragen die alten zweistöckigen Gebäude. Die sind manchmal nur noch Fassaden. Im modernen Bell Tower hängt die älteste Glocke Australiens aus dem Jahr 1550 und die schwerste des Kontinents (6,5 to).CBD ist, was der Name sagt: Business. Shopping Mall neben Shopping Mall. Im alten Postgebäude residiert H&M. Es ist inzwischen 38°C warm, während in Lokalen, Shops und Bahnen 18°C herrschen – willkommen, Erkältung!


 
Die Ampelphasen für Fußgänger sind jetzt für Kängurus: die Sprinter-Version. Grün reicht für ¼ der Strecke, dann blinkt es schon rot.

Die Globalisierung der Waren- und Produktionsströme zeigt sich ja nicht nur in den überall identischen Shopping-Angeboten, sondern auch in den weltweit verbreitetet Torheiten: Tattoos, Selfies, Rasenmäher-Frisuren, zerfetzten Jeans.
Im eiskalt gekühlten Zug fahren wir verschwitzt zurück. Es sind auch neue Eintänzer an Bord, dem Augenschein nach die Väter der alten. Um 22:30 legen wir ab, wie immer mit einer beeindruckenden Drehung im zu engen Hafenbecken. An der Pier grüßen Fremantler mit Taschenlampen.

Samstag 7. Dez 2019

Mit nur 12 kn. schieben wir an der Südostküste vorbei. Seetag und Gala-Abend mit Ball „Schwarz-Weiß“. Beim Dinner versucht der nette Sommelier aus Somalia (kein Witz!) mich für eine Wein-probe zu keulen (12 Weine, 65$) – um 13:30. Tödlich! Sonst noch was? No (naai auf australisch).

Sonntag 8. Dez 2019

Maiden Call (erster Besuch) der QE in Albany, WA, Australia. Es liegt an einer Großen Bucht mit enger Einfahrt, dem größte natürlichen Hafen der Welt. Am Weihnachtstag 1826 lieferte ein Schiff aus Sydney Soldaten und Gefangene hier ab, um die Franzosen davon abzuhalten, die Region zu kolonisieren. Ein kleines Städtchen mit einigen historischen Gebäuden aus den 1880er Jahren.
Morgens um 07:00 mächtiges Gerumpel: Das Schiff muss mit einer Menge seitlichem Schub in eine Lücke am Pier gezwängt werden. Beim Frühstück gibt es keinen Apfel mehr – ungeschältes Obst ist verboten. Innerhalb der 12-Meilen-Zone müssen auch die Shops und das Kasino geschlossen bleiben.

Dann bringt uns der Shuttle die 2 km in die Stadt, die eigentlich nur aus ihrer Hauptstraße besteht. 18°C und kalter Wind. Tourismusbeauftragte erklären uns das Offensichtliche: rechts und links Läden und Restaurants, oben der Town Square, unten das moderne Entertainment Center. In der kleinen Kirche sind die Seile für die Glocken durchnummeriert und die Noten sind Ziffern. Der Harley Davidson Chopper fährt Touristenomas herum.

Gentechnisch veränderte Fliegen nerven, denn sie fliegen immer ins Gesicht (deswegen die australischen Lederhüte mit den baumelnden Korken an den Krempen – für den Chronisten mit einem Kaufverbot belegt).

Montag 9. Dez 2019

Wieder Maiden Call der QE, diesmal in Esperance, WA, Australia, 33°S 121°O, in der Nähe der „Forschungsinseln“ (Archipelago ofthe recherche, lt. TV-Seekarte). Das Betreten des Steges, an dem wir liegen, (einfach nur ein Eisengerüst) ist verboten, deswegen werden auf der Wasserseite die Tenderboote benutzt. Vorher 45-cm-Schrittlängentest. 


Der Steg bietet einen Blick auf die Bucht und den Ort – aber wo ist der Ort? Esperance ist halb so groß wie Albany, aber doppelt so tot. Statt der Häuserreihen aus den 19. Jh. flache Betonkästen aus dem 20. mit div. Läden. Auf dem Marktplatz ein AS1 Leopard Panzer von Krauss Maffei aus dem Jahr 1977. Die Bastelgruppe des Ortes stellt local art aus – was man so macht aus Langeweile. 

Wir fragen mit einem aufschlussreichen Versprecher nach der shocking mall des Ortes. Gibt's, ist aber tot, bis auf einen Friseur, der Männer in Lachnummern verwandelt (SeiKuOLa). Wir nennen es „Döner-Haarschnitt“, weil es aussieht, als wären die Seiten mit dem Brenner abgeflammt.



Dienstag 10. Dez 2019

Wir stellen auf Adelaide-Zeit um, + 1,5 h. Europas Zeit verschwindet, auf RTL können wir jetzt das Nachtprogramm sehen. Doof: Man sitzt um 09:00 gerade kurz beim Frühstück und auf einmal ist es 10:30 und es wird abgeräumt. Ähnlich wechselhaft sind auch die Temperaturen: Melbourne heute 40°C, morgen 17°C.
Marodierende Australierinnen wollen sich mehrmals an den Frühstückstisch eines scheinbar einsamen Mannes setzen, der auf seine leicht verspätete Gattin wartet. Da muss man Sätze sagen wie: „Ich würde mich glücklich preisen, Ihre Gesellschaft genießen zu dürfen, aber leider erwarte ich mein Weib!“ Überhaupt sind die Aussies sehr kommunikationsfreudig und quatschen jeden an – für einen Hanseaten stark gewöhnungsbedürftig.

Der letzte Gala-Abend (Masquerade), dann verschwindet die Fliege im Gepäck. Dazu kann man sich an Bord Masken kaufen (10$). Abends steppt nicht der Bär, sondern der Senior-Aussie – der Rollator wird in die Ecke geschoben, der Hörgeräte-Pegel herunter geregelt (die Band macht unerträglichen Lärm, zumindest für den an ländliche Stille gewöhnten Chronisten), die Maske wird aufgesetzt, das Selfie gemacht und munter schwingt das Tanzbein – Takt hin oder her. Danach sitzt man am einarmigen Banditen im Casino.

 

 

Mittwoch 11. Dez 2019

Wieder 1 Std. weniger. Das heißt immer, dass die Frühstückszeit gekürzt wird. Im Queens Room gibt es einen Weihnachtsmarkt: Man hat die Shops ausgeräumt und alles auf Klapptische verteilt. Die Angestellten tragen rote Zipfelmützen. „Hau noiß!“, sagen die Aussies. Sie sind ja sehr kommunikativ, und einige sprechen sogar englisch.

Die erschütterndste Nachricht in der Tagesrundschau: Ein Kunstwerk im Wert von 120.000 $ des italienischen Künstlers Maurizio Cattelan wurde auf einer Kunstmesse in den USA aufgegessen. Es war eine an die Wand geklebte Banane. Der Täter war ein „Performance-Künstler“ und hatte Hunger.

 

Donnerstag 12. Dez 2019


Jetzt sind wir gespannt, ob uns die wochenlang über den Bildschirm geflimmerten Buschfeuer-Warnungen betreffen. Sydney ist in roten Rauch gehüllt. Die Luftqualität liegt um den Faktor 11 über dem Grenzwert. Erste Informationen verheißen nichts Gutes. Aber der moderne Mensch hat ja ein (wenn auch z Zt schlechtes) Internet und nimmt Kontakt mit Hotels und Visitor Centers vor Ort auf – Status heute: Es bessert sich („Yesterday & today are perfect Sydney days with no smoke“ und „At this point all the smoke has subsided from Sydney. Today is overcast and cool.“), das Neujahrsfeuerwerk findet statt. Wir werden es ruhig angehen lassen und uns ab 14.12. (wieder WiFi!) laufend informieren.

Heute aber erst einmal Adelaide mit seinen rechtwinklig angeordneten Straßen entworfen und nach der Ehefrau von König William IV. benannt in den 1830er Jahren von dem britischen General Light. Hahndorf, das älteste (1839) deutsche Dorf auf dem Kontinent, ist 15 Meilen entfernt. Dort gibt es die größte Kuckucksuhr der Welt. Gut zu wissen.
Beim Gang vom Schiff wartet schon ein Schnüffelhund auf uns (wegen der Einfuhr-Beschränkungen). Was sie wohl von den Passagieren erwarten – Crack oder Klosterfrau Melissengeist? Der Stadtplan von Adelheid täuscht, denn die Stadt ist keineswegs so kleinteilig und erwanderbar wie wir dachten. Große Blocks, breite Straßen, eine durchgehende Fußgängerzone (RundleMall), in der Straßenmusiker ungestraft 90 dB verbreiten dürfen. Altes und Neues bunt gemischt.



Freitag 13. Dez 2019

Der letzte Seetag! Jetzt sind wir bei UTC + 10 h (GMT + 11 h). Wir sind jetzt auch langsam „seekrank“ und wollen vom Schiff. Packen ist angesagt, die Koffer müssen um 23:00 bereit stehen und wir am nächsten Morgen um 07:40 vom Schiff. Sie werden auf merkwürdige Weise voller als sie es beim Auspacken waren. Das letzte gesunde Frühstück (u. a. mit Rührei mit Black Pudding – die Leser*innen mögen ergründen, was das ist).
 
Um 08:00 bei nur 13°C geht es bei leichter See bewölkt in Richtung Melbourne (Vorhersage: 20°C). Trotzdem rollt das Schiff um ca. 3° und mein „Seemannsgang“ bewährt sich. In UK werden in einer halben Stunde die Wahllokale geschlossen. Die CONs mit Boris J. haben haushoch gesiegt. Weihnachten steht vor der Tür und die Schiffsdeko wird entsprechend angepasst.

Die „Henkersmahlzeit“ besteht u. a. aus Surf & Turf Grilled Beef Mignon with Cajun and Herb Butter Lobster, Pommes de terre Lorette, Asparagus and Hollandaise Sauce. Ein letztes Glas Malbec (16,10$). Da wir nahe des Ausganges sitzen, nehmen wir ein letztes Mal die Parade der Rollatoren ab. Gerührter Abschied von unserem Restaurant-Personal (Alvin fährt seit 10 Jahren auf der QE, 9 Mo. Dienst, 3 Mo. Urlaub). Wir erhalten zum Abschied Kopien aller unserer Menüs. Wale, der ewig freundlich grinsende Nigerianer, will uns ein Bild seines dritten Babies schicken, wenn es im nächsten Jahr erscheint.

Im Impeachment-Verfahren in den USA (wird von BBC World News täglich präsentiert) untermauern die Demokraten ihre Argumente mit dem Satz „If it looks like a duck, quacks like a duck and walks like a duck, it is a duck!“. Sie behaupten, dass die Republikaner die Wahrheit nicht sehen wollen und aus aus den Symptomen schließen „... it's an avocado!“ Auf dem Schiff komme ich zu einem anderen Schluss: „... it's an australian lady!“.

 

Samstag 14. Dez 2019

Ausschiffung – und jetzt haben wir 23 kg Schiffsgepäck an der Backe mit Anzug, weiße Hemden mit Fliegen und Ballkleidern für die Gala-Abende samt mitgeschlepptem Reise-Dampf-Aufbügler. Es gibt spezielle Koffer-Verschiffungsagenturen: Australien – Spanien 440 €. Für den Zoll müssten für den gesamten Inhalt Rechnungen vorliegen oder (wenn nicht mehr vorhanden) eine detaillierte Liste: "1 Paar Herrensocken, schwarz, verstärkte Spitze und Ferse, Made in China, 80% Wolle, 20% Polyamid, halblang, getragen, kleines Loch an der rechten Ferse, Wert 0,25 €." Also lassen wir's, und der Koffer bleibt die nächsten Wochen ungeöffnet.
 


Um 05:30 aufstehen, denn um 07:40 werden wir vom Schiff gescheucht. Melbourne: kühl & bewölkt. (Gefühlt) Tausende verlassen die QE, aber alles wohlorganisiert – ist ja schließlich Tourismus-Industrie. Aber sie haben uns richtig reingelegt! Richtig voll!! Die Gattin schäumt!!! Alle die Einfuhrverbot-Warnungen, Durchsagen, TV-Dauerschleifen, Schreckensmeldungen, Schnüffelhundparaden in Adelaide … hier wurden wir durchgewinkt und haben so kostbare Dinge wie französische Dörrpflaumen oder reines Roggenmehl (für die Haarwäsche!) an Bord gelassen bzw. weggeworfen. Wir hätten einen bakterienverseuchten stinkenden Thunfisch an Land bringen können!



Und das war's dann mit Königin Elli. Over & out. 

 

Melbourne wartet auf uns!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen